Zwischen High-Tech und Filmkorn – Meine Reise durch 12 Jahre Hochzeitsfotografie
Ich habe nicht immer Hochzeiten fotografiert. Mein Weg in die Fotografie begann ganz anders – in der Welt der Werbekampagnen. Ich habe für Unternehmen gearbeitet, deren Bilder auf riesigen Plakaten landeten, wie am Münchener Hauptbahnhof, wo täglich Hunderttausende vorbeigehen. Eine beeindruckende Reichweite, ein echter „Quick Win“ – aber eben auch kurzlebig. Kampagnen kommen, Kampagnen gehen.
Trotzdem hat mich Fotografie immer als Handwerk begeistert. Ich wollte Momente einfangen, die bleiben. Schon damals hatte ich diesen dokumentarischen Blick – diesen Reportagestil, den ich jetzt in der Hochzeitsfotografie lebe. Der Unterschied? Plötzlich bedeuteten meine Bilder nicht nur kurzfristig etwas für eine Marke, sondern für Menschen. Eine Hochzeitsreportage begleitet ein Paar ein Leben lang. Es geht nicht mehr um Millionen flüchtiger Betrachter, sondern um wenige, für die diese Bilder alles sind. Und genau das hat mich gepackt.
Hier sieht man mich mit einer Fuji X100VI | Foto: Nico Dreier
Zwischen digitaler Präzision und analoger Seele
Ich bin technikverliebt. Immer wenn etwas Neues auf den Markt kommt, juckt es mich in den Fingern. Ich liebe es, Equipment früh zu testen, verstehe mich als Early Adopter und will immer am Puls der Zeit sein. Ob hochauflösende Sensoren, schnellere Autofokus-Systeme oder neue KI-gestützte Workflows – ich probiere es aus. Mein GAS-Syndrom (Gear Acquisition Syndrome) ist legendär, und ich stehe dazu. Glücklicherweise habe ich mit Achim Cassee von Foto Cassee aus Borken einen Händler meines Vertrauens, der mir nicht nur das neueste Equipment in die Hand drückt, sondern auch ehrlich berät. Kauf lieber lokal als bei den großen Playern.
Aber dann gibt es da diese andere Seite in mir – die Sehnsucht nach etwas Unperfektem, nach dem Unvorhersehbaren, nach Film. Ich liebe es, Schallplatten zu hören, mich bewusst auf eine begrenzte Anzahl von Songs einzulassen. Und so ist es auch mit der analogen Fotografie: Bewusst den Moment wählen, statt in Serienbildern nach dem perfekten Shot zu suchen.
Meine erste Kamera, die diesen Brückenschlag zwischen Technikbegeisterung und Nostalgie für mich geschaffen hat, war die Fuji X100T. Ich bin dieser Serie bis heute treu geblieben und habe jedes Modell ausprobiert. Diese Kameras sind kompakt, charmant und technisch stark – aber mit einer Seele.
2024 Analoge Hochzeitsreportage von Yvo & Flo in Münster | Leica M6 & Kodak Gold
Datenanalyse: Was sagt mein Lightroom-Katalog über mich?
Ich habe mir die Mühe gemacht, meine letzten vier Jahre Fotografie zu analysieren. In meinen Lightroom-Katalogen speichere ich nur die ausgelieferten Bilder, also die finale Auswahl für meine Kunden. Insgesamt sind das 110.000 Bilder aus den letzten vier Jahren.
Kameranutzung in Zahlen:
Sony (A7IV, A7RIII): 74.000 Bilder
Leica (M10R, M11): 9.550 Bilder
Fujifilm (XT4, XT5, X100V, X100VI): 17.000 Bilder
Nikon (ZF): 1.800 Bilder
Canon (R6): 2.100 Bilder
Analog (Olympus MJU II, Leica M6, M7): einige hundert Bilder
Technik kann unterstützen, aber sie definiert nicht die Bildsprache. Jeder Fotograf hat seinen eigenen Stil – manche legen Wert auf künstlerische, inszenierte Bilder, andere sind detailverliebt, wieder andere arbeiten dokumentarisch. Ich selbst sehe mich als dokumentarischer Hochzeitsfotograf, der die Atmosphäre und Emotionen eines Tages so authentisch wie möglich einfängt.
Lightroom Bibliothek mit einem Einblick in die benutzen Systeme.
Meine meistgenutzten Kameras und Objektive
Sony – Der Allrounder für Hochzeiten
Sony ist mein Arbeitspferd auf Hochzeiten, insbesondere die Sony A7 IV, die ich mit verschiedenen Objektiven kombiniert habe.
Meistgenutzte Brennweiten:
35mm f/1.4 GM – Mein absolutes Lieblingsobjektiv für Hochzeiten. Perfekte Schärfe, tolles Bokeh und schneller Autofokus.
85mm f/1.8 – Ideal für Porträts und emotionale Momente während der Zeremonie.
24-70mm f/2.8 GM – Mein „Flex-Objektiv“ für schnelle Wechsel zwischen Weitwinkel und leichtem Tele.
Fujifilm – Kompakt, leicht und mit Charakter
Fujifilm nutze ich eher für persönliche Projekte, aber auch auf Hochzeiten, wenn ich unauffälliger arbeiten möchte.
Hauptkamera: Fujifilm X-T5
Meistgenutzte Brennweiten:
33mm f/1.4 – Entspricht etwa 50mm im Kleinbildformat, perfekt für natürliche Aufnahmen.
23mm f/1.4 – Für eine weitwinkligere Reportageperspektive.
Leica – Die Herzensangelegenheit
Leica ist für mich eine ganz eigene Welt – technisch und emotional. Die Art, wie man mit einer Leica fotografiert, ist entschleunigt, bewusst und reduziert auf das Wesentliche.
Hauptkamera: Leica M10R & M11
Meistgenutzte Brennweite:
50mm Summilux f/1.4 – Eine klassische Brennweite mit besonderer Magie.
Was bedeutet das für angehende Hochzeitsfotografen und Brautpaare?
Es gibt nicht die eine perfekte Kamera oder das eine perfekte Objektiv. Wichtig ist, dass man mit dem System arbeiten kann, das einem am meisten liegt.
Es lohnt sich, verschiedene Ansätze auszuprobieren – Zooms, Festbrennweiten, unterschiedliche Marken – um herauszufinden, womit man am besten arbeiten kann.
Die Wahl des Hochzeitsfotografen sollte nicht nur von der Technik abhängen. Viel wichtiger ist der Bildstil und die Frage: Fühlen wir uns wohl mit dieser Person?
Unterschiedliche Fotografen haben unterschiedliche Herangehensweisen – manche sind künstlerischer, manche dokumentarischer, manche inszenierter. Es lohnt sich, genau hinzusehen und sich mit den Arbeiten der Fotografen auseinanderzusetzen.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen
Was habe ich aus 12 Jahren Fotografie gelernt? Perfekte Bilder sind nicht nur technisch makellos. Makellose Gesichter, weil eine KI sie glättet, verlieren ihren Ausdruck. Und genau darum liegt mein Herz irgendwo zwischen High-End-Technik und analogem Charme.
Ich liebe es, digitale Präzision einzusetzen, aber auch das Unvorhersehbare der Filmfotografie zuzulassen. Meine Leica M6 kommt auf Hochzeiten genau dann zum Einsatz, wenn ich weiß: Das hier ist ein Moment für die Ewigkeit.
Und falls ihr gerade überlegt, ob Onkel XY mit seiner guten Kamera nicht auch ein paar Fotos machen kann – ja, kann er. Aber Hochzeitsfotografie ist mehr als nur Technik. Es ist der Blick für die richtigen Momente, das Gespür für Emotionen und die Erfahrung, in jeder Situation abzuliefern. Und genau das macht den Unterschied.